"Mass Incarceration", "Mass Imprisonment" - Masseninhaftierung ist laut Stevenson nicht nur die Antwort auf Herausforderungen, die anders angegangen werden müssten: Armut, Drogenabhängigkeit, Vernachlässigung, psychische Erkrankung, u.v.m. Es ist unter anderem auch eine Industrie, an der viele verdienen. Gefängnisse sind große Arbeitgeber. Eine Zuliefererindustrie verdient an der Essensversorgung und Bekleidung der Häftlinge und Wachen. Die Häftlinge sind billige Arbeitskräfte, rund um die Gefängnisse entstehen kleine Städte, in denen nicht nur die Angestellten wohnen, sondern auch die Angehörigen bei ihren Besuchen Hotelzimmer nehmen und konsumieren.
Mit ihrer Lobby-Arbeit und Spenden an Politiker und gewählte Richter und Sherriffs sorgen die Interessenvertreter dieser Inhaftierungs-Industrie, dass das Prinzip harter Bestrafung - und die Fiktion ihrer Notwendigkeit wie Wirksamkeit - aufrechterhalten wird.
Die USA haben heute weltweit die meisten Menschen in Haft. Waren es in den frühen 1970er Jahren noch 300.000 Inhaftierte füllen heute atemberaubende 2,3 Millionen Menschen die Gefängnisse. Gut 6 Millionen Menschen sind derzeit auf Bewährung. Statistisch gesehen wird 1 von 15 in den USA geborenen Menschen ins Gefängnis gehen. Bei farbigen Männern liegt die statistische Wahrscheinlichkeit dramatisch höher: Jeder dritte in diesem Jahrhundert geborene Farbige wird inhaftiert werden. Mehr als 50% der Inhaftierten haben eine diagnostizierte psychische Erkrankung, bekommen allerdings keine angemessene Behandlung - die Gefängnisse reagieren auf das nicht dem Protokoll entsprechende Verhalten mit außergewhnlichen Strafmaßanahmen, wie Einzelhaft.
Auch sind die USA, so Stevenson, das einzige Land der Welt, das Kinder nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt und sie auch für andere Straftaten als Mord zu lebenslangen Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt. 2.500 Menschen, die im Alter von 13 bis 16 Jahren unterschiedlichste Taten begangen haben, sind in den USA dazu verurteilt, wie Stevenson dies drastisch und deutlich nennt, im Gefängnis zu sterben für etwas, das sie als Kinder getan haben. Mittlerweile hat Bryan Stevenson vor dem obersten Gericht erfolgreich erstritten, dass diese Praxis als nicht verfassungsgemäß, unmenschlich und unangemessen verurteilt und untersagt wurde. Damit werden aber nicht automatisch die im Alter zwischen 13 und 18 Verurteilten freigelassen. Ohne Anwälte, die in ihren Fällen entsprechende Anträge stellen und ihre Sache vertreten, ändert sich an ihrer Situationen nichts. Und solange sie arm sind und keine Lobby haben, ihre Familien nicht die finanziellen und sozialen Mittel haben, ihnen zu helfen, werden sie weiter in Gefängnissen bleiben, die dazu geeignet sind, sie weiter zu verletzen und lebenslang zu zeichnen.
"Walter made me understand why we have to reform a system of criminal justice that continues to treat people better if they are rich and guilty than if they are poor and innocent. A legal system that denies the poor the legal help they need, that makes wealth and status more important than culpability, must be changed. Walter's case taught me that fear and anger are a threat to justice. THey can infect a community a state or a nation and make us blind, irrational and dangerous. I reflected on how mass imprisonment had littered the national landscapewith carceral monuments of reckless and excessive punishment and ravaged communities with our hopeless willingness to condemn and discard the most vulnerable among us. (...) the death penalty is not about whether people deserve to die for the crimes they commit. The real question of capital punishment in this country is: Do we deserve to kill?"