Hervorragend geschriebener Artikel über "Die Tschiboisierung der Süddeutschen Zeitung". Damit meint der Autor den Umstand, dass der SZ Verlag zum Zwecke der Verbreitung verschiedener Produktlinien der "SZ-Edition"(Cinemathek, Jugendbücher, Klassiker der Literatur, Klassik, große Pianisten usw.) große Teile der eigenen Zeitungsfläche nutzt. "Unter der Hand, stillschweigend & als redaktioneller Beitrag camoufliert ist der aufmerksamkeitsintensivste Platz in die Regie der hauseigenen Werbung übergegangen und die Feuilletonglosse auf die unattraktive zweite Umschlagsseite verschoben worden!"
"Ihren jüngsten, aber gewiss nicht letzten Coup will die SZ nun mit ihrer “Vinothek” landen. Damit verlässt sie das bisher von ihr weidlich beackerte Feld des Kultur-Recyclings in Form kanonisch konzipierter Sammlungen (nach dem Motto: “Was man gelesen, gesehen, gehört haben sollte”) & erweitert es in den Bereich der “höheren Lebensart” hinein. [...] Was findet hier - wie auch andernorts in der Presse (Zeit, Spiegel, Welt, Bild, Brigitte, FR etc.), aber bei der SZ am bislang exzessivsten - eigentlich statt? Zurückblickend richtete sich das zusätzliche Geschäftsfeld auf ein diversifiziertes “Modernes Antiquariat”, das alle kulturellen Medienbereiche durchforstete und deren bereits hinlänglich zur Prominenz gelangten (& “abverkauften“) Objekte der “Backlists” noch einmal zu Dumpingpreisen recycelte. Aber nicht als wahllose Einzelobjekte, sondern in Form einer sowohl kanonische Relevanz (“The Best of“) als auch Vollständigkeit suggerierenden Geschlossenheit als SZ-“Edition”, die durch die Fachberatung & -empfehlung bekannter journalistischer “Ratgeber” nobilitiert wird, die einem aus der täglichen SZ-Lektüre vertraut sind.
Der Reihencharakter der “exklusiven” Editionen appelliert zugleich an den Sammel- & Vollständigkeitstrieb, die ansprechenden Ausstattung an ein Repräsentationsbedürfnis und der vergleichsweise niedrige Preis, der noch durch Zusatzvergünstigungen beim Abonnementsabschluß der “Editionen” reduziert wird, entspricht passgenau der ebenso virulenten wie ununterbrochen allseits angesprochenen Schnäppchenmentalität, der “Geiz geil ist”. So kann beim fortgesetzten Erwerb umfänglicher Kulturgüter für den Hausgebrauch der SZ-Zusatzkäufer Schmalhans zum Küchenmeister machen & sich zugleich doch als ein Witzigmann fühlen, der in der “corporate identity” der SZ-Leser heimisch & eingebunden ist."
Den ganzen Artikel Ein paar Überlegungen zum wirtschaftlichen Umbau der Kultur in seriösen Printmedien online lesen