Dienstag, September 30, 2008

Wenn zwei sich aufreiben ...

Aus der Presseschau des Deutschlandfunk:

"es werden wohl eher Tage als Wochen vergehen, bis Horst Seehofer den Parteivorsitz übernimmt", prophezeit der FRÄNKISCHE TAG.

Auch die AUGSBURGER ALLGEMEINE hat sich schon auf diesen Kandidaten festgelegt und begründet das so:
"Seehofer hat, was Huber und Beckstein fehlt: Ausstrahlung, bundespolitische Statur. Ein Mann, der Bierzelte füllen und die Fahne der CSU in Berlin hochhalten kann. Qualitäten, die im Wahljahr 2009 gefragt sind. Gut möglich, dass dem Retter in der Not am Ende des Selbstfindungsprozesses die ganze Macht in den Schoß fällt."

Das wird eine bemerkenswerte Wende, wenn Seehofer, der auf dem CSU-Parteitag vor fast genau einem Jahr in dem Pauli-Beckstein-Getöse zur Randfigur wurde nun als lachender Dritter
als Phoenix aus der Asche aufersteht.

Es war auch die immer wieder quasi selbststeuernde Dynamik des politisch-publizistischen Apparates, die die Großwetterlage als "automatisch" auf Huber/Beckstein zulaufend interpretierte und kommunizierte und diese Stimmung in den Parteikörper injizierte, bis der letzte Ortsverband sich dieser Schwingung angeschlossen hatte.
Es ist dieselbe Dynamik, die nun die Scheinwerfer auf Seehofer richtet und es nun so darstellen wird, dass die Übernahme des Parteivorsitzes doe logische Konsequenz ist.

Alles, was Seehofer nun machen muss, ist sich zurücklehnen und warten, bis die wundgeprügelte Partei zu ihm gekrochen kommt, bereit alle Bedingungen zu akzeptieren, wenn er nur den Rudolf Scharping/Kurt Beck/Rudi Völler/Jürgen Klinsmann macht.
Anders als diese Nothelfer, die letztlich von eben den Truppen erlegt wurden, die sie zuvor auf den Schild hoben, wird Seehofer allerdings nicht der trügerischen Annahme erliegen, das Lob und die Schmeicheleien, die in den nächsten Tagen auf ihn herabregnen werden, für einen belastbaren Kredit zu halten.

Bemerkenswert ist, dass die Eigenschaften, die Seehofer zuletzt gönnerhaft-honorig angerechnet wurden (ein versierter Bierzelt-Rhetoriker und verdienter Minister mit Erfahrung auf Bundesniveau) aber als irrelevant im Partei-Kontext bewertet wurden (weil einerseits bürokratisch-abstrakte Kompetenz anstatt volkstümliches "Mir san mir" gefordert sei, andererseits Seehofer zu sehr "nach Berlin riecht"), ausgerechnet jetzt als die Qualitäten dargestellt werden, die Beckstein/Huber fehlen und die die CSU dringend braucht.
Das muss Seehofer mit tiefer Genugtuung erfüllen. (und Stoiber erst! Der wird sich in Wolfratshausen zurücklehnen und entspannt seine Muschi kraulen.)

Seehofer, der "Bierbotschafter 2007", ist der personifizierte, CSU-typische Spagat zwischen Laptop und Lederhose, Bierzelt und Berlin, modern und traditionell, provinziell und gewandt auf dem großen Parkett zu agieren.

Ein Schelm, der unterstellt, Seehofer habe sich vor einem Jahr mit seiner eher schwachen, frei gehaltenen Rede nicht richtig um den Parteivorsitz bemüht, weil er darauf spekuliert habe, dass Beckstein/Huber sich aufbrauchen werden und er sich den Parteivorsitz nicht erstreiten muss, sondern nur zu warten braucht, bis dieser ihm angetragen wird und er einen größeren Gestaltungsspielraum hat, seine Bedingungen durchzusetzen.