Arbeiten ist mehr als Geldverdienen. In Deutschland heißt es nicht umsonst "Beruf" und ist damit sprachlich nahe an der Berufung gebaut und verweist darauf, dass es um mehr geht als bloße "Beschäftigung", sondern um ein Wirken, dass unmittelbar mit der Persönlichkeit des Schaffenden verbunden ist.
Alle Menschen müssen arbeiten, um sich ihr Auskommen zu verdienen. Philosophischen Interpretationen zufolge ist muss der Mensch "etwas tun", um sich seiner selbst im kreativen Schaffen zu vergewissern. Damit ist ein hoher Anspruch an "Arbeit" gestellt. Es geht nicht nur darum, die eigene Lebenszeit, Energie, Aufmerksamkeit, geistige und physische Kapazitäten in fremde Dienste zu stellen (oder im Rahmen der Selbstausbeutung in Dienst einer Tätigkeit in der man etwas herstellt, verarbeitet oder Dienstleistungen feilbietet), um dafür Geld zu bekommen, mit dem man seine Existenz abstützt. Es geht um mehr. Um Bedeutung. Zufriedenheit. Das Erschließen von Talent und Neigung und deren Ausbau und Entwicklung zu Fähigkeit und Kompetenz. Um das Ansammeln von Informationen in Auseinandersetzung mit der Welt und den darin befindlichen Dingen, Menschen und Vorgängen. Die Umarbeitung dieser Informationen zu Wissen und Kompetenz, die an die Person gebunden sind und sich in ihr mit charakterlichen Eigenschaften mischt und sich zu dem verdichten lässt, was man "Pofil" nennt. Eine Sammlung von sachlichen Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften, die allgemeine Qualitäten haben aber in einer individuellen Ausprägung vorliegen, die die einzelne Person so unverwechselbar machen.
So gesehen sollte das Arbeiten ein großes Abenteuer sein. Man macht sich mit der beobachtenden und begleitenden Unterstützung von Lehrern, Ausbildern, Freunden, Kollegen und Vorgesetzten auf die Suche nach seinen Begabungen. Glückich der, der im Zuge dieeses lebenslangen Prozesses der Auseinandersetzung mit der Welt und sich selbst sein individuelles Profil findet und auf den Begriff bringt.
Alles klar soweit? Alles total spannend? Lauter Menschen auf einer odysseeischen Fahrt zu sich selbst, bei der sie sich in die Welt bewegen müssen, um sich begreifen zu können. "Soi meme comme un autre"? Das wäre die Welt, wenn es nach Götz Werner ginge. Der Gründer der Drogeriekette "DM" ("Hier bin ich Mensch, hier kauf' ich ein") propagiert seit Jahren unermüdlich das bedingungslose Grundeinkommen.
Werners These: Indem die Menschen zum Arbeiten gezwungen sind, wird ihnen allzuoft der Zugang zu sich selbst verstellt. Die Menschen zwingen sich in Verhältnisse und Lebenswege, die nicht ihrem Wesen entsprechen. Dagegen zeichnet Werner eine andere Idee: Was wäre, wenn niemand arbeiten MÜSSTE, um seine Existenz zu sichern. Was wäre, wenn jeder soviel zur Verfügung gestellt bekäme, dass er wohnen und essen könnte und sich so frei die Frage stellen könnte, was er eigentlich will und kann. Dabei wäre dies nicht nur die Freiheit, sich eine solche Frage zu stellen, sondern eine Zumutung.
Schließlich bedeutet die gradlinige Perspektive eines notwendigen Lebensverlaufs nicht nur Freiheitsentzug, sondern Entlastung von der Notwendigkeit, sich entscheiden zu müssen, sich der Freiheit auszusetzen. Aber es ist eben das Wesen des Menschen, dass er unbestimmt ist und sich seine Bedeutung erst geben muss. Freiheit ist das Medium, in dem dies überhaupt möglich wird. Dies muss man dem Menschen (und muss der Mensch sich) aber auch zutrauen und zumuten, wenn man den Menschen nicht als bedeutungslose konsumierende und sich reproduzierende Organismen begreift. "Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Bevormundung hemmt sein Reifen", zitiert Werner den preußischen Reformer Heinrich Friedrich Karl vom Stein.
Wie dem auch sei. Während das Arbeiten als bevorzugte Sphäre des tätigen Schaffens geeignet ist, dem Menschen Bedeutung zu geben und ihn in eine tätige Beziehung zur Welt und seinen Mitmenschen zu setzen, sind in der Wirklihckeit Frust, Mobbing, Not und Angst, innere Kündigung und Langeweile, Über- und Unterforderung weit verbreitet. Ob Zorn oder Enttäuschung - deutlich ist, dass kaum jemanden (s)eine Arbeit gleichgültig lässt.
Dies beweist auch das Webprojekt "cardsofchange". Hier werden entlassene Arbeitnehmer aufgerufen, ihre Visitenkarten ihres ehemaligen Arbeitgebers zu gestalten und hochzuladen. So werden diese wahlweise mit Sehnsucht, Traurigkeit oder Ärger aufgeladenen Zeichen ihrer vergangenen Zugehörigkeit zu einem Hebel der Psychohygiene, des Aufbruchs oder Neuanfangs.