Der Abschlussfilm von Maren Ade ("Alle Anderen") zeichnet das fast dokumentarische Protokoll einer jungen Frau, die alles richtig machen will und dabei alles falsch macht, die den Anforderungen von Beruf und Gesellschaft entsprechen will und in ihren immer danebenliegt.
Melanie Pröschle, 27jährige Lehrerin aus Schwaben, tritt mit viel Idealismus ihre erste Stelle an einer Realschule in Karlsruhe an. Für ihr neues Leben macht sie sich jede Menge Hoffnungen.
Sie hat sich fest vorgenommen, alles richtig zu machen. Höflich stellt sie sich mit einem „Selbschtgebrannten“ bei ihren Nachbarn vor. Doch in der Schule fasst sie nicht Fuß. Den Schülern ist sie nicht gewachsen. Im Kollegium kommt sie nicht richtig an.
Auch sonst fällt es ihr nicht leicht, in der fremden Stadt ein neues Leben anzufangen. Einsamkeit macht sich breit. Aber Melanie lässt sich nicht entmutigen und knüpft Kontakt zu ihrer Nachbarin Tina. Gerade von ihrem Freund verlassen, ist Tina zunächst jede Ablenkung recht. Aber bald wird klar, dass Tina schon genügend Freunde hat, die besser zu ihr passen, als die schwäbelnde Sandalenträgerin. Es entwickelt sich das aus Kindertagen jedem Bekannte klassische Drama des uncoolen Mädchens, das unbedingt zur angesagten Gruppe dazugehören will und bereit ist, jede Anstrengung und Selbsterniedrigung in Kauf zu nehmen, am akzeptiert zu werden.
Je mehr Tina sich zurückzieht, desto drängender werden Melanies Bemühungen. Dabei überschreitet sie mit jedem neuen Annäherungsversuch eine weitere Grenze, verstrickt sich zunehmend in einem Kreislauf aus falschen Hoffnungen, peinlicher Situationen und Lügen. Zun Immer mehr werden Melanies Kräfte völlig vom Schulalltag, ihrem Bemühen Normalität zu präsentieren und ihrem immer kläglicheren Werben um Tinas Freundschaft absorbiert, so dass sie zunehmend verwahrlost.
Der Film konzenrtiert sich ganz auf die junge Frau, die sich weiterhin aufrichtig bemüht, alles richtig zu machen und der dabei so ziemlich alles mislingt. Darin liegt die unfreiwillige und zutiefst tragische Komik der Figur. Der musikfreie Film erinnert in seiner quasi dokumentarischen Perspektive an die Dogma-Filme und macht das Zusehen zu einer Anstrengung sondergleichen.
Mitanzusehen, wie sie eine peinliche Szene nach der anderen hinlegt, im Unterricht untergeht und dabei immer nur das Beste will und bemüht ist, ist unerträglich gut dargestellt und gnadenlos beobachtet.
Fast unmerklich schraubt das reduzierte Kammerspiel mit reduktionistischer Dogma-Optik die soziale Temperatur und erhöht kontinuierlich die Fallhöhe. Da der Zuschauer mit Melanie die neue Stelle antritt bemerkt kaum die sich anbahnende - im Film aber nie ausbuchstabierte - Katastrophe; auch wenn man sie als unbeholfen und ungelenk erlebt und sich die Anzeichen für ihre Not und ihre aus den Fugen geratende Welt mehren: es ist die große Qualität des Films, das die Steigerung so langsam und kontinuierlich erfolgt und immer noch ausreichend Grundrealismus. Damit ist der "Wald vor lauter Bäumen" ein wenn auch fiktives so doch glaubwürdige Illustration dessen, wie jemand die Welt und die Kontrolle über das eigene Leben entgleiten können.
Das macht den Film in Teilen derartig anstrengend, dass es eine regelrechte Kraft- und Mutprobe ist, sich den Film am Stück anzuschauen, ohne wegzugucken oder auf Pause zu drücken!
(Textquelle Timebandits via filmz)