"Die Masse ist dumm – diese Weisheit klingt ziemlich undifferenziert, nach einer Stammtischweisheit, aber sie beschreibt tatsächlich recht genau die Grundlage der Massenpsychologie. Falls Le Bon recht hat, ist ein Soziologenkongress in seinem gemeinsamen Arbeitspapier weniger intelligent, als jeder einzelne Soziologe es wäre, wenn er alleine nachdenkt. Eine Redaktionskonferenz, die gemeinsam über ein Thema berät, wäre demnach im Normalfall weniger originell als der einzelne Redakteur, den man in Ruhe überlegen lässt. Da kann ich mitreden, das habe ich oft erlebt." Harald Martenstein
In der ZEIT befasst sich Harald Martenstein in einer lang geratenen Kolumne mit Massenpsychologie, Reaktanz, Schwarmfeigheit und der Frage, inwiefern die Neigung des Menschen, sich der Mehrheit anzupassen, um kein Außenseiter zu sein, für die Demokratie gefährlich sei.
Die Menschen im Allgemeinen und Angela Merkel im Besonderen verhielten sich gemäß den Regeln des Schwarms: Sie schwimmen in Richtung der Mitte des Schwarms, bewegen sich in dieselbe Richtung wie alle anderen und vermeiden Zusammenstöße.
So dominiere der Mainstream und erzeuge auf seiner Kehrseite eine, wie insbesondere durch Boulevardmedien ventilierte Bereitschaft zur Hysterie zeigt, Tendenz zur Ausgrenzung des Anderen, Gegenläufigen. Martenstein erinnert in dem Zusammenhang an das Meinungsspektrum der "angeblich so langweiligen Adenauerjahre in Erinnerung rufen, als es noch Christen, Kommunisten, Sozialisten, Konservative und alles Mögliche andere gab. Falls man unter »Demokratie« einen offenen, freien Meinungskampf versteht, ein Ringen um den richtigen Weg, dann haben wir nicht allzu viel davon. Und dazu ist nicht einmal ein Unterdrückungsapparat erforderlich, es hat sich einfach so ergeben."