Moralisierende Symbolpolitik dank betäubter Hoden
Martenstein befasst sich wie immer mit den widersprüchlichen Eingriffen des Staates in moralische Fragen individuellen Handelns.
"Kürzlich hat der Bundestag beschlossen, dass Sex mit Tieren wieder strafbar sein soll. Die sogenannte Sodomie ist, bis 1969, schon mal strafbar gewesen, Paragraf 175b. Das hat man im Rahmen der Liberalisierung des Strafrechts damals abgeschafft, mit der Begründung, dass sich das Strafrecht aus Moralfragen besser heraushält. Immerhin gibt es ja das Verbot der Tierquälerei. Ein Mensch, der ein Tier quält, macht sich strafbar, egal, ob dabei Sex eine Rolle spielt oder einfach nur Rohheit. Ob die Mehrheit eine bestimmte Sexualpraktik als widernatürlich empfindet, darf für das Strafrecht keine Rolle spielen – so dachte man damals, 1969, im goldenen Zeitalter der Liberalität.
Ich habe mir den Tierschutz-Paragrafen angeschaut. Es heißt da, dass man Tieren nicht ohne Grund erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügen darf. Da frage ich mich spontan, wieso unsere Schlachthäuser nicht längst von der Polizei dichtgemacht worden sind. Wenn ich lese oder in Filmen sehe, auf welche Weise Tiere in den Fleischfabriken behandelt werden, erscheinen mir die Wörter »Schmerzen« und »Leiden« durchaus zutreffend. Einen zwingenden »Grund« dafür gibt es eigentlich nicht. Man kann Tiere auch weniger grausam behandeln, bevor man sie isst. (...)
Klar, ein paar Verbesserungen des Tierschutzes gibt es, von Zeit zu Zeit. Zum Beispiel wurde beschlossen, dass Ferkel nicht mehr ohne Betäubung kastriert werden dürfen. Dieses Verbot tritt allerdings erst 2019 in Kraft. Das Sodomieverbot dagegen könnte noch 2013 in Kraft treten. Von 2013 bis 2019 darf dann jeder Deutsche einem Ferkel ohne Betäubung die Hoden abschneiden. Wenn er aber dem Ferkel in sexueller Absicht an den Schwanz fasst, ist dies verboten." ZEIT Magazin