Samstag, Mai 30, 2009

We put the "PR" in PRopaganda - Deutsche Bahn

Um den Börsengang zu fördern und politische Entscheidungsträger in diesem Sinne zu beeinflussen, bezahlte die Deutsche Bahn eine PR-Agentur um mit verdeckten Aktivitäten (selbstverständlich gibt es hierfür einen verbrämenden cool-terminus-technicus: no-badge) ein öffentliches Meinungsbild zu simulieren, das den Börsengang der Bahn positiv bewertet, bzw. um durch die Manipulation dieses Meinungsbild tatsächlich erst zu erzeugen.

(Bild: vierdrie)

Es wurden u.a. fingierte Leserbriefe und Einträge in Internetforen erstellt, sowie Medienbeiträge und Meinungsumfragen produziert, bei denen die Deutsche Bahn nicht als Auftraggeber zu erkennen war. Für diese Maßnahmen bezahlte die Deutsche Bahn allein im Jahr 2007 1,3 Millionen Euro.

PR-Agentur und "unabhängiges" Institut unter einem Dach?

Mit den Maßnahmen wurde die PR-Agentur European Public Policy Advisers (EPPA). Deren Geschäftsführer Rüdiger May war nach SZ-Angaben, zu der damaligen Zeit zugleich Geschäftsführer des Berliner ThinkTanks Berlinpolis. Dieser wiederum hatte im Jahr 2007 einige Umfragen und Meinungsbeiträge über die Bahn produziert, die wahlweise den Börsengang der Bahn promoteten oder den Lokführerstreik sowie die zeitweise von der SPD favorisierte Idee der "Volksaktie" als von der Öffentlichkeit gemissbilligt darstellten und mediale Verbreitung fanden.

LobbyControl zufolge war auch Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee in verschiedene Aktivitäten von Berlinpolis eingebunden. So steuerte er ein Vorwort für die Berlinpolis-Publikation «Die Zukunft der Mobilität – Herausforderungen und Perspektiven für den Verkehr von morgen» oder ein Referat zur Bahnprivatisierung beim «1. Deutscher Public Sector Summit», der 2007 von Berlinpolis und einem Partner veranstaltet wurde, bei.

Es liegt der Verdacht nahe, dass Berlinpolis als Träger genutzt wurde, um eindeutig interessengesteuerten Aktivitäten den Anstrich vermeintlicher Objektivität zu geben. In einer eigenen Pressemitteilung weist Berlinpolis jede Verbindung zu EPPA und den verdeckten PR-Maßnahmen von sich. Die Bahn hingegen erklärte laut LobbyControl in einer schriftlichen Stellungnahme vom 28. Mai: "Im Jahr 2007 beauftragte die DB die European Public Policy Advisers GmbH („EPPA“) mit PR-Maßnahmen. Die EPPA wiederum beauftragte den berlinpolis e. V. („berlinpolis“) im Rahmen dieses Auftrages, PR-Maßnahmen durchzuführen."

Nach eigenen Angaben beauftragte Bahn-Chef Rüdiger Grube einen Tag nach den Hinweisen auf solche verdeckte PR-Maßnahmen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, dem nachzugehen und erhielt das Ergebnis am Mittwoch. Als Konsequenz wurde der Marketing-Chef der Bahn entlassen. Grube distanzierte sich von dem Vorgehen.

"Hier wurden offensichtlich versucht, die Öffentlichkeit und die politische Debatte dadurch zu beeinflussen, dass vermeintlich unabhängige Dritte im Sinne der Bahn in die öffentliche Debatte eingriffen. Diese Methoden der Manipulation von Öffentlichkeit und Politik sind absolut inakzeptabel." erklärte LobbyControl und forderte die Bahn auf, "umgehend alle Karten auf den Tisch legen und alle verdeckten PR-Aktivitäten offen legen, die mit ihren Finanzmitteln durchgeführt werden". Zwischenzeitlich hat LobbyControl einen Bericht über die verdeckte Lobbyarbeit der Bahn öffentlich gemacht (PDF).

Ironisches Detail: EPPA verpflichtet sich zur Transparenz

Ironisches Detail: Die mit den Maßnahmen von der Bahn beauftragte PR-Agentur EPPA erklärt auf Ihrer Webseite, ethischen Werten besondere Bedeutung zuzumessen, zu denen u.a. gehört, "in all circumstances and with all officials be fully transparent about the interests which they represent and the objectives which they seek to achieve, not use improper methods, such as false or exaggerated assertions or manipulative propaganda" und weist darauf hin, bei der European Transparency Initiative registriert zu sein.

Neuanfang nur mit kompromissloser Transparenz

Nach Service-Gebühr und Abhör-Skandal, Verspätungen und gefühlt permanenten Preiserhöhungen hätte man meinen wollen, Image und Marke "Deutsche Bahn" seien kaum mehr zu ramponieren - und wird dieser Tage eines Schlechteren belehrt.

Der Vorgang mag Grundlagenkurse zur Public Relations mit reichlich Material zu füttern. Versteht man unter Public Relations die klassische Formel des "Tue Gutes und rede darüber" bedeutet dies, dass eine Organisation ihre tatsächliche Vorteile, lobenswerte Aspekte dn ihr segensreiches Tun darstellt und unterstreicht - auch um von negativen Aspekten des eigenen Wirkens abzulenken oder dies aufzuwiegen. So unterstützen Konzerne wie Shell oder BP Umweltprojekte, sponsort die Tabakindustrie Gesundheitsinitiativen oder die Landwirtschaftslobby Materialien für den Bio-Unterricht. usw. Es besteht allerdings ein entscheidender Unterschied, ob ein Unternehmen oder eine Organisation das in der Öffentlichkeit von ihr vorhandene Bild durch aktive Kommunikation (die sich aber auch auf tatsächliches Handeln beziehen muss) im eigenen Interesse zu ergänzen und zu korrigieren versucht, oder ob verdeckt manipuliert wird. Anstatt ein offen-aufgeklärtes Image anzustreben, ein partnerschaftlich-transparentes Verhältnis zur Öffentlickeit scheint es, dass eine kleine Gruppe aggressiver Manager sich den Konzern zu eigen gemacht und strategische Ziele wie den Börsengang, der sich nicht zuletzt in Boni und attraktiven Folgejobs auszahlen soll(te) mit allen Mitteln verfolgt und vorangetrieben haben - gegen alle Hindernisse, einschließlich der als Bremse empfundenen Politik, den Kunden und sogar den eigenen Angestellten.

Sicher verfügt die Bahn als Monopolist über eine Ausnahmestellung. Viele Kunden haben keine Alternative. Dennoch werden sich unter dem Trommelfeuer von Meldungen über permanent ansteigende Preise, mangelhafte Sicherheit bei Zügen, Unpünktlichkeit, und ein kaltschnäuzig-rabiates Verhalten gegenüber Kunden und eigenen Angestellten, die Menschen vielleicht eher überlegen, ob nicht Alternativen organisierbar sind oder ob überhaupt gereist wird.

Die einzige Chance ist ein Neuanfang, der nur mit kompromissloser Aufklärung und Transparenz zu haben ist. Immerhin kann man Bahnchef Grube zu Gute halten, dass er veranlasst hat, dass das Unternehmen selbst die Mitteilung über die PR-Aktivitäten machte und nicht zu vertuschen versuchte bis die Vorgänge von außen aufgedeckt würden.

Redaktionen anfällig für PR

Auch wirft der Skandal wieder mal ein Licht auf die Arbeitsweise von Redaktionen, die zu knapp ausgestattet sind, als dass sie angemessene Recherche praktizieren und im hektischen Tagesgeschäft nur allzu dankbar sind für vorgefertigte Häppchen - sowohl am Pressekonferenzbüffet wie in vorproduzierten O-Tönen und Statements.

Stealth-PR auch bei Bundesministierien

Wenn auch der Skandal bei der Bahn enorm ist und die Chuzpe, in der versucht wird, die öffentliche Meinung und politische Entscheidungsträger zu manipulieren (nicht zuletzt, um den Börsengang zu befördern und damit die Aussicht auf Provisionen für die Handelnden im Unternehmen zu steigern) herausragend sind: Verdeckte PR ist nicht neu.

So nimmt "die" deutsche Wirtschaft auf verschiedenste Weise, wie z.B. über die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" wiederholt Einfluss, indem Untersuchungen in Auftrag gegeben und veröffentlicht, Gremien und "Institute" lanciert, Akteure in Talkshows platziert und fertige Medienberichte produziert und verbreitet werden. (Siehe auch:Arbeitgeber-Stealth-PR)

Aber auch Ministerien bedienen sich solcher Methoden, um die Öffentliche Meinung im eigenen Sinne zu beeinflussen. So hatte eine PR-Agentur, für das Bundeswirtschaftsministerium eine Kampagne zur Förderung des Mittelstands organisiert, versucht, journalistische Berichterstattung im Austausch für Anzeigen zu platzieren.

Das Familienministerium hatte Recherchen der ARD-Sendung "Report Mainz" zufolge sendefertige Radiobeiträge und druckreife Zeitungsartikel zur Einführung des Elterngelds produziert, in denen die maßnhame bejubelt wurde. Wie Spiegel Online berichtete, wurden 192 Radiosender kontaktiert von denen 68 das Material ausstrahlten - ohne, dass für die Hörer erkennbar war, dass die Beiträge von der vom Ministerium dafür bezahlten Agentur stammten.

Wie Spiegel Online berichtete, haben die Bundesministerien ihre Mitarbeiterstäbe in den Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit und PR in der jüngsten Vergangenheit massiv aufgestockt.
Allein im Außenministerium arbeiten nicht weniger als 113 Mitarbeiter im Dienste der positiven Außendarstellung des Wirkens von Herrn Steinmeier.

Dazu kommen noch all die Politiker hinzu, die nachdem sie ihre öffentlichen Ämter abgelegt haben, in die Privatwirtschaft wechseln und ihre guten Beziehungen zu barem Geld

Hochlöblich, dass es einen Verein wie LobbyControl gibt, der sich die Mühe macht, solche Netzwerke und Verbindungen zu recherchieren, nachzuweisen und transparent zu machen. Die intensive Berichterstattung der vergangenen Tage wird dem Verein sicher zu einigen Spenden verhelfen.

(Flugzeug-Bild: weatherbox)

Bahn zieht Konsequenzen aus PR-Skandal (heise)
Agentur dementiert verdeckte PR-Aktionen für die Bahn (Spiegel)

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taz-Kommentar: Nur gute Nachrichten - ehrlich!
In diskreter Mission (SZ)
Post von reticon (reticon): Der Verband der bayerischen Wirtschaft lässt über den von ihm finanzierten "Aktionsrat Bildung" seine Thesen für eine Reform des Bildungswesens verbreiten - und die SZ druckt das auf Seite 1.