Nur am Rande: Gestern machte die Süddeutsche Zeitung auf "der Seite 3" mit einem großen Artikel zu "1 Jahr Merkel" auf und entblödete sich allen Ernstes nicht, die abgegriffene Vokabel von der "Laborantin der Macht" zu bemühen. Gäääähhhhhn. Eigentlich lautet die abgelutschte Vokabel ja von der "Phyiskerin der Macht". Ja, Frau Merkel ist Physikerin und das, hat seit sie wichtiger geworden ist, Heerscharen von Journalisten nicht daran gehindert, einander die Phrase von der Naturwissenschaftlerin abzuschreiben, die gaaaaanz präzise arbeite, unaufgeregt und genau abwäge (genau wie - hihi, wie passend! - eine NATURWISSENSCHAFTLERIN!!!), usw. Man sieht förmlich die Journalisten im Heimwerkerkeller an der Vokabel-Werkbank, wie sie an besonders ausgefuchsten Vokabeln und Metaphern herumdrechseln, als "Schreiner der Sprache" sozusagen.
[udate 22-11-2006]
In der Süddeutschen Zeitung von heute findet sich auf einer ganzen Zeite eine Mannschafts-Kurzkritik der großen Koalition. Auch hier finden sich Beschreibungen der Politiker, die weniger die Verbindung von präziser Analyse und deutlichem Urteil in sprachlich gelungener Form darstellen, als vielmehr die x-te Wiederholung zirkulierender Allgemeinplätze, wie die Charakterisierung von Annette Schavan als "rheinische Katholikin", als spröde unverheiratete (hhmmm...) streng auftretende Dame ("Sie wirkt oft wie die Leiterin eines Internats, in dem Thomas von Aquin gelesen wird").
So wie der Variantenreichtum zur Beschreibung von Sportlern limitiert ist (Boris Becker = "der Leimener" = der xmalige Wimbledon-Sieger = ehemalige Tennisprofi = schon origineller: Besenkammer-Vater usw.). Wenn einem nichts originelles einfällt - warum nicht einfach sachlich bleiben. Wer unbedingt geistreich formulieren will und doch nur bekannte Plattitüden wiederholt, erreicht genau das Gegenteil: Anstatt den Eindruck zu erzeugen, durch außergewöhnliche Formulierung einen bislang nicht gewonnenen Eindruck auf einen Sachverhalt zu ermöglichen, der das Wesen derselben deutlicher macht, bewirkt die Wiederholung den Eindruck von "gewollt und nicht gekonnt.