Viele der ausgestellten Arbeiten zählen zu Kultobjekten des Design, wie etwa Marc Newson’s für 1,1 Millionen Pfund versteigerte "Lockheed Lounge".
Doch diese Singularitäten werden vom Stern der Originalität Martino Gampers "A 100 chairs in 100 days" einfach überstrahlt. Der gebürtige Süd-Tiroler hat Stühle, darunter Design-Klassiker wie dem unvermeidlichen Lounge-Chair oder Arne Jakobsons 3107 zerzägt, zerlegt und in mannigfaltigen Kombinationen zu neuen Formen zusammengestellt (Foto rechts: NRW Forum). Als habe ein betrunkener Chirurg Unfallopfer zusammengeflickt und dabei die Einzelteile durcheinandergebracht, stehen die Objekte wie eine Parade hybrider Möbel-Freaks da: Ein Hocker mit einem Klavierfuß, ein aus drei Rückenteilen zusammengestellter Liegestuhl, eine aus Rückenlehnen und ineinander gesteckten Stahlrohrrahmen erstellte Liege, die selbst wieder wie ein Tausendfüssler erscheint. Auch gibt es erstaunliche Vermählungen, wenn eine Design-Ikone sich in einer Liason mit einem Plastik-Stapelstuhl vereint und dabei eine neue Form entsteht. Gampers 100 Chairs zeigen nicht nur, dass das Thema "Stuhl" noch längst nicht erschöpft sei, wie der gefürchtete Design-Inquisitor Knuth Hornbogen bemerkte. Vielmehr verblassen die Objekte der bekannten Namen, wie das scheinbar aus Reststücken der Innsbrucker Bergbahnstation gefertigte Sofa von Zaha Hadid, der "Rock Mirror" des notorischen Arik Levy oder die Hahaha-Sessel der derzeit mit einer eigenen Werkschau im Vitra Museum versehenen Gebrüder Campana, neben der Originalität, dem Esprit und Witz von Martino Gampers Stuhlparade.
Dabei ist Gampers Stuhldeklination (Foto rechts: Martino Gamper) zwar oft witzig, jedoch ohne auf den vordergründigen Effekt oder Überwaltigung des Betrachters hin konzipiert zu wirken oder sich im Klamauk zu erschöpfen. Während manche Objekte keine Frage offen lassen und für ein Design stehen "dass in der Wohnung nicht beim Bügeln stört" (Hornbogen), bleibt bei Gampers Arbeit immer noch eine Leerstelle, die etwas offen und unausgesprochen lässt, zu einer neuen Lesart und Betrachtung auffordert und sich darin eben nicht abnützt oder abschließend erklärt. Mag mancher Vernissage-Besucher beim Meinungsaustausch der oft gehörten Meinung beipflichten, dass allein Gampers Stühle schon gereicht hätten, ist gerade diese direkte Gegenüberstellung mit zertifiziert wertvollen Objekten und "Marken" hilfreich: Neben der vitalen Kraft von Gampers überströmendem Ideenreichtum und konventionsfreien Arbeiten wirkt das Design-Establishment stellenweise bieder bis einfallsarm und es zeigt sich: Da geht noch einiges.
Dienstag bis Sonntag 11 - 20 Uhr, Sonntags bis 24 Uhr geöffnet
Eintritt: 5,50 Euro (ermäßigt 3,50 Euro)
Fotos von der Vernissage und der Exponate im Flickr-Stream des NRW Forums.
Infos zur Ausstellung unter www.nrw-forum.de