So schlecht das Fernsehen sein mag so sehr ist das Radio Balsam auf die von Dschungel-, Casting- , Retro- und (Polit-)Talk-Shows geschundene Seele. Insbesondere Deutschlandfunk und DeutschlandradioKultur leisten hier Erstaunliches. Während in der Flimmerkiste alles, was sich nicht in 15-Sekündern darstellen lässt, als unverdaulich gilt, leistet sich z.B. der Deutschlandfunk den Luxus Wissenschaftler in einer differenzierte Debatte über den Einfluss von Wissenschaftlern für die Politik zu diskutieren, um in Anschluss daran ein Feature über Literatur im Nachkriegsdeutschland zu bringen, bei dem einem die Ohren schlackern. Das ist eben Radio!
So auch heute morgen, als zwischen 8 und 9 auf der Autobahn von Frankfurt nach Limburg auf SWR2 eine Sendung, ein Vortrag über "Schillers Freiheitsbegriff" läuft.
Man selbst kümmte ja nie auf die Idee, sich Wallenstein durchzulesen, einzelne Szenen mit Ideen aus den Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen zu vergleichen und mit Äußerungen Goethes und geschichtlichen Phänomenen in Beziehung zu setzen. Zu massiv stehen das gewaltige Werk und die schiere Menge (ideen)geschichtlichen Materials vor dem Ahnungslosen. Wie und wo ansetzen, sich erste Orientierungspunkte ergattern, Markierungspfosten aufpflanzen?
Hierzu braucht es einen Kenntnisreichen, der einen didaktischen Weg folgend, einen strukturierenden Zugang erschließt, einige Punkte auswählt, kommentiert, einander gegenüberstellt, betont, einordnet, auf das sich ein erstes Gerüst im Rezipienten bildet, das es ihm ermöglicht alles Folgende daran orientiert einzuordnen und zu verstehend auszubauen. Im Idealfall ist das die lebendige Beziehung, die sich zwischen Lehrer und Schüler abspielt. So entstehen Wissen und Bildung.
Genau von dieser Qualität war die Sendung, deren Text so unglaublich dicht wie der Sprechstil des Autors ungemein einnehmend war und mal wieder die Erfahrung bestätigene, dass es beim Lernen eben nicht nur um die Sachebene geht, sondern darum, ob sich zwischen Lehrendem und Lernenden eine Beziehung aufbaut, der Lehrende dem Lernenden etwas zu sagen hat. Hier war es für mich jedenfalls der Fall.
Manuskript und MP3 stehen zum Download zur Verfügung. (Bild: Wikipedia)